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"Die wilden Fünfziger"
Thomm

Zeitzeugen: die wilden Fünfziger

Wir schreiben das Jahr 1948. Gemessen an heutigen Ansprüchen waren wir damals bettelarm. Nur gemerkt hatten wir es nicht. Das Gegenteil war der Fall. Der Krieg war seit drei Jahren zuende und Ludwig Erhard hatte trotz heftiger Widerstände für die Deutschen ein neues Geld in Verbindung mit der Marktwirtschaft durchgesetzt. Mit Einführung der Deutschen Mark war die Tausch- und Hamsterzeit vorbei. Obwohl die Maßeinheit beim Stundenlohn noch die Pfennige waren, gehörte eine unbändige Aufbruchstimmung wie auch der feste Wille, mit harter Arbeit die begehrten DM zu verdienen, zum Wurzelwerk der beginnenden Wunderjahre. Es sollte noch eine Zeit lang dauern, bis die historische Wertmarke von einer DM für die Arbeitsstunde erreicht war.

In meiner Heimat dem Vorderen Hochwald, dabei spreche ich von den Orten Thomm, Osburg, Farschweiler, Herl und Lorscheid gab es außer den Thomm/Feller Schiefergruben kaum Arbeitsplätze. Der Bahnhof in Waldrach war eine Fußstunde und mehr vom Heimatort entfernt und die Omnibusse der Zubringerlinie waren Opfer des Krieges geworden. Das eigene Auto existierte nicht einmal in weit entfernten Wunschträumen. Wer einen Arbeitsplatz in Trier hatte, ging zu Fuß nach Waldrach und fuhr mit dem Zug nach Trier. Nach neun bis zehn Arbeitsstunden ging es wieder nach Hause und das sechs mal die Woche.

Mit großem Risiko und einem Höchstmaß an Arbeitsleistung haben die Männer der ersten Stunden die Zubringerlinie nach Waldrach wieder in Bewegung gebracht. Aus einem Fahrgestell der Marke Opel-Blitz und einem Vorkriegs-MAN-Omnibus der Deutschen Reichspost, der den Krieg halbwegs überstanden hatte, wurde ein fahrfähiger Bus zusammengebaut. Es war die Stunde der Handwerker von Thomm und Osburg. Alle Beteiligten waren von der Vision motiviert, am ersten Personenbeförderungsmittel der Nachkriegszeit mitzuarbeiten, welches die Verbindung vom vorderen Hochwald zum Bahnhof Waldrach wieder herstellen sollte. Die Deutsche Mark war gerade drei Monate alt, als der Fahrbetrieb wieder aufgenommen wurde und die Fahrt von Thomm nach Waldrach kostete für Berufstätige 25 Pfennig. Wünsche wurden Wirklichkeit als dieser Omnibus die ersten Ausflüge gar bis an den Rhein wagte. Die Menschen kannten den viel besungenen Strom nur von der Sage der Loreley und den Liedern, die sie sangen.

In großer zeitlicher Distanz und vor dem Hintergrund der komplizierten Denkweise von heute wird mir bewusst, wie unbekümmert aber zielstrebig die damalige Generation ihren steinigen Weg nach oben gemacht hat. Wir, die Kriegskinder und Nachkriegsjugendlichen, von der Anspruchslosigkeit vergangener Jahre geprägt, standen als junge Generation voller Tatendrang mitten im Aufwind des beginnenden Wirtschaftswunders und alle beruflichen und privaten Perspektiven des Lebens zeigten nach oben. Nur ein Hauch dieses Gedankengutes in des Volkes Seele würde ausreichen, die heutigen Probleme unseres Landes mit links zu lösen.

Karl-Heinz Keiser

Veröffentlichung in der Serie "Zeitzeugen" im Trierischen Volksfreund, Oktober 2006

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